Lehrplan - Allgemeiner pädagogisch-didaktisch-psychologischer Teil
Der Allgemeine Teil des KOMU-Lehrplans ist als gedruckte Broschüre erhältlich: Preis EUR 2,20 (inkl. USt.), zuzüglich Versandkosten. Erhältlich bei der Koordinationsstelle:
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1. Der gesellschaftliche Auftrag der Musikschulen
1.1. Komplexität musikalischer Aktivitäten und gesicherte Qualität der Musikschularbeit
Singen, Musizieren und Tanzen gründen in elementaren menschlichen
Bedürfnissen, aber sie sind auch komplexe Handlungsweisen, bei denen Hirn, Herz
und Hand auf vielschichtige Weise zusammenspielen und denen man nur in einer
ganzheitlichen Sichtweise pädagogisch begegnen kann. Musikschularbeit beinhaltet
somit die Entwicklung musikalischen Hörens und Verstehens, die Förderung von
Ausdrucksfähigkeit und Empfindung sowie die Schulung der Motorik. Dabei
müssen besonders hohe Ansprüche an die pädagogische und didaktische Qualität
sowie die Kontinuität und Verbindlichkeit des Unterrichts gestellt werden.
Musikschulen geben ihren SchülerInnen die Sicherheit, dass die höchst mögliche
Qualität der musikalischen Bildungsprozesse angeboten wird.
1.2. Musikalisch-ästhetische und allgemeine Persönlichkeitsbildung
Wer singen, tanzen oder musizieren lernt, der bildet nicht nur spezielle Fähigkeiten
aus, dessen Persönlichkeit wird auch insgesamt reicher: Sie/Er schult die Sinne,
entwickelt ein besonderes Körperbewusstsein, bildet Geschmack und
Schönheitsempfinden, wird empfindsamer und ausdrucksstärker, lernt das kreative
Wagnis schätzen und entwickelt Fantasie. Und da künstlerisches Lernen durchaus
auch mit Bemühen und Anstrengung verbunden ist und ohne Selbstdisziplin und
Konzentration kaum zu Erfolgen führt, sind auch positive Auswirkungen auf
Motiviertheit und Zielstrebigkeit im täglichen Handeln zu erwarten.
1.3. Aktive Gestaltung und Weiterentwicklung von Musikkulturen
Indem Musikschulen all ihre SchülerInnen optimal fördern, dabei auch Talente
erkennen und Begabte besonders unterstützen, befähigen sie ihre SchülerInnen
nicht nur zu einem persönlich befriedigenden Musizieren, sondern auch zur
Teilnahme an und zur Gestaltung von Musikkulturen: Musikschulen sorgen für
den Nachwuchs in den verschiedenen Musikkulturen, vom Familienmusizieren
über die Kirchenmusik, die örtlichen Laienorchester, Chöre und Blaskapellen bis
hin zur Volksmusik und zum Volkstanz oder zur lokalen Jazz-, Rock- oder Hip
Hop-Szene. Darüber hinaus haben sie die Aufgabe, den Nachwuchs in
musikalischen und musikpädagogischen Berufen sowie im Tanzbereich
heranzubilden, d.h. Grundlagen für ein professionelles Handeln zu legen, das die
vielfältigen Musikkulturen des Musiklandes Österreich erhält und
weiterentwickelt.
1.4. Soziale Bindungen und die Akzeptanz des Anderen
Wer sich selbst im Musizieren und Tanzen besser kennen lernt, öffnet sich leichter für andere, strebt nach einer Gemeinsamkeit, die das musikalische Erlebnis steigert. Insofern kann man von Musikschulen erwarten, dass sie jene sozialen Bindekräfte entwickeln, die beim gemeinsamen Tanzen, Musizieren und Singen im Tanzensemble, in Chor, Band und Orchester, in der Musikschule, in der Familie oder im musischen Leben der Gemeinde entstehen. Zugleich ist angesichts der kulturellen Vielfalt der modernen Welt auch die Akzeptanz für kulturell andere oder ungewohnte Lebensäußerungen zu vermitteln.
1.5. Musik hören
Aktives Musizieren fordert ein sorgfältiges Zuhören, fördert die Freude an Musik
und lässt diese als Bereicherung erfahren. Das Bewegen zur Musik lässt auf sensible
Weise deren formale Strukturen und expressives Potenzial erfahren. Die
SchülerInnen der Musikschule werden daher auch zu differenzierenden
MusikhörerInnen, Konzert- und TheaterbesucherInnen. Somit kann aktives
Musikmachen und Tanzen den Boden für eine im Erleben verankerte musikalische
Bildung und ein erweitertes Kulturverständnis bereiten.
1.6. Lebenslange Beziehung zur Musik
Daraus folgt: Musikschularbeit ist auf lange Sicht selbst dann erfolgreich, wenn z.B. das Instrument nicht mehr zur Hand genommen wird: Der Besuch einer Musikschule vermag die Grundlage für eine lebenslange innige Beziehung zur Musik zu legen.
2. Musizieren und Musik – die „Sache“, um die es geht
2.1. Singen, Tanzen und Musizieren als universale Ausdrucksformen des Menschen
Im Tanzen, Singen und Musizieren haben Menschen neben der sprachlichen und
körpersprachlichen Mitteilung einen weiteren Weg gefunden, innere Bewegung zu
äußern und Emotionen auf eine besondere Weise auszudrücken: rhythmisch
gebunden und melodisch wie harmonisch geformt, also in Schönes verwandelt und
zugleich intensiver und überwältigender als Sprache je sein könnte. Es gibt keine
menschliche Kultur ohne Musik und Tanz: Musikschulen helfen somit bei der
Aneignung und Entwicklung von grundlegenden universalen Kultur- und
Verständigungstechniken. Diese stellen Errungenschaften dar, ohne die Menschsein
nicht denkbar wäre, sie sind ästhetische Ausdrucksmöglichkeiten, die jeder Mensch
als sinnvoll und notwendig zu erleben vermag.
2.2. Musikalische Intelligenz und Kreativität – polyästhetisches Verstehen
Der emotionale Impuls der MusikerInnen stößt auf die Musik als System, auf deren
natürlich und geschichtlich geprägte Tonordnungen und Spielregeln. Um der
Musik in dieser Hinsicht gerecht zu werden, verfügen Menschen in Verbindung mit
ihrem musikalischen Ausdrucksbedürfnis über eine eigenständige musikalische
Intelligenz, die im Ensemble menschlicher Intelligenzen gleichberechtigt etwa
neben der mathematischen oder sprachlichen Intelligenz steht.
Gemeinsam mit der Musikerziehung an den allgemein bildenden Schulen fördern
Musikschulen auch die musikalische Intelligenzentwicklung und das musikalische
Wissen ihrer SchülerInnen. Sie legen dabei sowohl auf ein analytisches und
stilkritisches Verständnis von Musik als auch auf den kreativen Umgang mit dem
musikalischen Material in Improvisation und Komposition wert.
In dem Maße, wie sich Musik (besonders im Gesang oder im Musik- und
Tanztheater) mit Poesie, Schauspiel oder bildender Kunst berührt, können
SängerInnen, InstrumentalistInnen oder TänzerInnen auch ihr polyästhetisches
Verstehen entwickeln, etwa ihren Sinn für die Qualität von Texten, für die
Stimmigkeit einer Dramaturgie oder die anregende Gestaltung von Raum und
Bühne.
Da jemand, der auf lebendige Weise musiziert oder tanzt, Musik nicht nur hört,
sondern auch spürt, kommt dem Körper eine besondere Bedeutung zu: er ist das
Organ des musikalischen Spannungs- und Emotionsempfindens. Bedenkt man
zudem, dass MusikerInnen und TänzerInnen mit Hilfe ihres Körpers (Spiel-)
Bewegungen realisieren, so ist davon auszugehen, dass Musizieren und Tanzen
auch die Entwicklung der Körperintelligenz fördern können. TänzerInnen
entwickeln darüber hinaus ein besonderes Verhältnis zu den Elementen des
Raumes, orientieren sich in ihm, gestalten ihn dynamisch, erleben seine
Eigenenergie.
2.4. Musizieren und Tanzen in allen Formen als Zentrum der Musikschularbeit
Im Mittelpunkt der Musikschularbeit steht das qualifizierte und lebendige
Musizieren und Tanzen – vor allem jenes in der Gemeinschaft: elementares
Musizieren, Improvisation, das Dirigieren oder Spielen von klassischen Werken,
Musizieren in den verschiedenen Stilen von Rock, Pop und Jazz, Balletttanzen
ebenso wie freies Tanzen, volksmusikalische Praktiken, multimediale
Musizierformen. So wichtig in der europäischen Musikentwicklung auch die
musikalischen Kunstwerke sein mögen und so sehr die Auseinandersetzung mit
der Kunstmusik auch Teil einer Bildungsaufgabe ist: Ein weit gespannter Begriff
des Musizierens und Tanzens geht nicht allein in der Wiedergabe von Werken auf.
Die Entwicklung von Spiel-, Gesangs und Tanztechnik bedeutet (entgegen dem Anschein des rein Mechanischen) zunächst das Ins-Spiel-Bringen des bewegungsbereiten, also des durchlässigen und ausbalancierten Körpers. Die Voraussetzung dafür ist ein gutes Körperbewusstsein und die Freude am „Instrument“ Körper.
Technik entwickeln heißt, das notwendige Bewegungsrepertoire auf eine Weise erwerben, welche die Weisheit und natürliche Ökonomie des Körpers ebenso nützt wie die Fähigkeit des Gehirns, unmittelbar bewegungssteuernde mentale Bilder der anstehenden Spielbewegungen zu entwickeln.
Es empfiehlt sich, technische Übungen und Etüden im Bezug auf die anstehenden Stücke einzusetzen und als lustvoll zu bewältigende Proben für die Geschicklichkeit anzusehen.
Körperschulung, Stimmbildung und instrumentale Technik sind aber nur Mittel zum Zweck und münden ein in Tanzen, Singen und Musizieren.
3.1. Subjektiver Zugang zur Musik und individuelle Lernwege
3.1.1. Musik als subjektiv bedeutsamer Raum
Gleich, welche musikalischen Voraussetzungen die SchülerInnen mitbringen oder
welche Ziele sie verfolgen, gleich auch, welchen speziellen Lernweg SchülerInnen
gehen: alle SchülerInnen der Musikschule sollten von Beginn an die Musik als einen
Raum erleben, in dem es um Persönliches geht, als ein Medium, mit dem Eigenes
mitgeteilt werden kann, als einen subjektiv bedeutsamen Bereich jenseits des
Alltäglichen. So entstehen Begeisterung und Faszination, d.h. es wächst jene Freude
am Musizieren und Tanzen, welche die eigentliche Triebkraft für die langwierigen
Bemühungen der Stimmbildung, der Körperschulung und des
instrumentaltechnischen Lernens darstellt.
3.1.2. Allgemeine Strukturpläne und individuelle Lernwege
Aus Gründen der Verbindlichkeit, Orientierung und Qualitätssicherung bilden
Musikschulen Idealkarrieren ihrer SchülerInnen in Statuten und Strukturplänen ab
und unterteilen prinzipiell kontinuierliche Lernverläufe in allgemeine Stufen und
Etappen. Immer aber wissen Musikschulen dabei, was ihren besonderen Charakter
als Schule ausmacht: nämlich die Möglichkeit, in einem weit größeren Ausmaß als
die Pflichtschule individuelle Lernwege ermöglichen zu können. Die Vielzahl der
persönlichen Wege ergibt sich aus der Unterschiedlichkeit der Voraussetzungen
und der Verschiedenheit der Zielsetzungen.
3.2. Voraussetzungen der SchülerInnen
3.2.1. SchülerInnen aus allen Altersgruppen
Selbst wenn an den österreichischen Musikschulen Kinder und Jugendliche dominieren: die österreichischen Musikschulen bekennen sich prinzipiell dazu, für Menschen in jedem Lebensalter offen zu stehen – lebenslanges Lernen ist selbstverständlich auch in Bezug auf Musik und Musizieren möglich und sinnvoll.
3.2.2. Entwicklungsfähige Begabungen und unterschiedliche Lernvoraussetzungen
Ausgehend von der Einsicht, dass musikalische oder tänzerische Begabung nicht
nur gegeben, sondern entwicklungsfähig ist, und unter Berücksichtigung der
Tatsache, dass sich musikalisches oder tänzerisches Talent immer in verschiedenen
Dimensionen zeigt, können SchülerInnen nicht als „unbegabt“ und somit gänzlich
ungeeignet abgewiesen werden: Eine große Unterschiedlichkeit der allgemeinen
Lernvoraussetzungen und Entwicklungsmöglichkeiten ist die Folge.
3.2.3. Verschiedenheit der musikalischen Ausdruckswünsche
So unterschiedlich wie die individuellen Gefühlsregungen, so unterschiedlich sind
die Ausdruckswünsche der SchülerInnen, die sowohl aus persönlichen Motiven wie
aus sozio-kulturellen Prägungen (Familiensituation, Stadt-Land-Differenz, Schichtoder
Gruppenzugehörigkeit) herrühren: Die Musikschulen verstehen und
begrüßen, dass sich die eine z.B. mit der Trompete, der andere mit der Violine,
diese eher im Medium der Rock-Musik, jener eher mit den musikalischen Mitteln
der Wiener Klassik musikalisch äußern will. Dasselbe gilt für die große stilistische
Breite von Tanzformen.
3.3. Die Ziele der SchülerInnen
3.3.1. Lernziele der SchülerInnen, Lehrziele der LehrerInnen und Bildungsauftrag der Musikschule
Das Ausdrucksbedürfnis bedingt das angestrebte musikalische Repertoire: Wen es
zur Rockmusik drängt, der ist vielleicht nur schwer für Jazz zu gewinnen, wer
romantische Klaviermusik liebt, der hat womöglich Probleme mit manchen
Ausdrucksformen zeitgenössischer Musik. Somit kann es zu Konflikten zwischen
den musikalischen Lernzielen der SchülerInnen und dem umfassenden
musikalischen Bildungsauftrag der Musikschule kommen. Diese sind jedoch nicht
nur durch Verweis auf Lehrplan und Statut, sondern vor allem durch ein
geduldiges Bemühen um die musikalische Horizonterweiterung aller SchülerInnen
zu lösen. Dabei sollen die LehrerInnen auch ihre Lehrziele und ihre eigenen
Vorlieben und Schwerpunkte offen legen.
3.3.2 Musikalische LiebhaberInnen im besten Sinne
Die große Mehrheit der österreichischen MusikschülerInnen will das Musizieren
und Tanzen nicht zum Beruf machen, sondern sieht es vor allem als Bereicherung
des eigenen Lebens. Hier geht es um Laien- und Liebhaber-Kunst im besten Sinne,
um die Möglichkeit, Mitglied im örtlichen Chor oder der Blasmusik zu werden
ebenso wie um die Befähigung zum Musizieren im familiären Rahmen, um
jugendliches Musikmachen und Tanzen als Ventil für heftige
Ausdrucksbedürfnisse ebenso wie um das abendliche Instrumentalspiel als
notwendigen Ausgleich zum Berufsleben, um das Musizieren und Tanzen als
Chance, „sich einmal ganz anders zu gebärden“ ebenso wie um das Musizieren und
Tanzen als Anlass zur Geselligkeit. Die Qualität einer Musikschule bemisst sich
zunächst danach, wie sie dieser Vielzahl von Bedürfnissen und Ansprüchen durch
qualifizierte Unterrichtsangebote gerecht wird.
3.3.3 Heranbildung von künftigen BerufsmusikernInnen und TänzernInnen
Eine weit kleinere Zahl von SchülerInnen schlägt die musikalische, tänzerische oder
musikpädagogische Berufslaufbahn ein. Es ist ein Charakteristikum des Musikerund
Tanzberufs, dass dessen Grundlagen bereits im frühen Lebensalter kompetent
gelegt werden müssen. Die Qualität der Musikschule hängt also auch davon ab, ob
sie diesen SchülerInnen die notwendige umfassende Förderung zuteil werden
lassen kann. Dazu ist ein vermehrter Unterricht im künstlerischen Hauptfach
ebenso notwendig wie ein erweitertes Angebot an Ergänzungsfächern, eine
professionelle Vorbereitung auf Aufführungs- und Prüfungssituationen, die
Anleitung zu einem guten Selbstmanagement und einem pfleglichen Umgang mit
den eigenen physischen und psychischen Ressourcen.
3.4. Beratung und Begleitung der SchülerInnen
3.4.1. Beratung im Normalfall, Eignungsprüfungen für den beruflichen Nachwuchs
Jeder Mensch ist für das Singen, Tanzen und Musizieren geeignet – nicht jeder
hingegen für den Musiker- und Tanzberuf. Eignungsprüfungen im engeren Sinne
machen daher nur dann wirklich Sinn, wenn es um die Tauglichkeit für eine
professionelle Karriere geht. Im Normalfall bedürfen InteressentInnen für die
Musikschule daher keiner zu Aufnahme oder Ablehnung führenden Überprüfung
ihrer grundsätzlichen Befähigung, sondern einer Beratung, die zwischen den
musikalischen Voraussetzungen und Absichten der SchülerInnen auf der einen und
den Ansprüchen, Forderungen und Möglichkeiten der Musikschule auf der
anderen Seite vermittelt: Durch einführende und begleitende Beratung wird z.B. die
Wahl des für die SchülerInnen richtigen Instruments ebenso erleichtert wie die
gezielte Förderung in bestimmten musikalischen Bereichen.
3.4.2. Vielfalt der Lernwege an einer Musikschule
Da die Ausgangspunkte unterschiedlich sind und die Ziele auseinanderstreben
bzw. sich auch ändern können, gibt es an Musikschulen eine Fülle unterschiedlicher
Lernwege: schnellere und langsamere, Wege, die direkt auf ein Ziel zustreben und
solche, die dieses über Umwege erreichen, durchgängige und unterbrochene, früh
und spät begonnene. Gemeinsam ist allen Schullaufbahnen, dass die SchülerInnen
immer am Weg sind. Musikschulen sind ihrer pädagogischen Natur nach keine
unverbindlichen Freizeit- oder Betreuungseinrichtungen.
4.1. Vertrauensvolle und beständige Schüler-Lehrer-Beziehung
Auch wenn zunehmend neue Unterrichtsformen den traditionellen Einzelunterricht
ergänzen: Eine wichtige Quelle positiver persönlicher und musikalischer
Entwicklung der SchülerInnen an einer Musikschule ist eine persönliche,
vertrauensvolle und beständige Beziehung zu ihren LehrerInnen.
4.2. Begeisternde und verantwortungsbewusste LehrerInnen
Gesangs-, Instrumental- und TanzschülerInnen brauchen LehrerInnen, die
Begeisterung auslösen können und die eigene Freude an der Musik oder der
Bewegung überzeugend vorleben. Gleichermaßen brauchen sie LehrerInnen, die
respektvoll und sensibel mit den Bedürfnissen ihrer SchülerInnen umgehen und
bereit sind, Mitverantwortung für deren Entwicklung zu übernehmen:
Verantwortungsbewusste MusikschullehrerInnen fühlen sich einem pädagogischen
Ethos verpflichtet.
4.3. Fehlerkultur
Musizieren, Singen und Tanzen sind höchst komplexe und daher störanfällige
Tätigkeiten und die Aufführung vor einem Publikum kann unter einem gewaltigen
Druck stehen (Stichwort „Lampenfieber“): Umso wichtiger ist es, gerade an
Musikschulen von Anfang an einen positiven Umgang mit Fehlern zu entwickeln.
Fehlerkultur bedeutet, Falschmachen nicht als Versagen oder Scheitern zu bewerten
und mit Vorwurf, Ärger oder Verdrängung zu beantworten, sondern den Fehler als
Informationsquelle und notwendigen Impuls für weitere Anstrengungen und
Verbesserung zu betrachten.
4.4. Verstärkung des Positiven und konstruktive Kritik
LehrerInnen sollten SchülerInnen den Gefallen tun, stets das ihnen Bestmögliche zu
erwarten. Sie sollten im Umgang mit den Leistungen der SchülerInnen
vorzugsweise das Positive verstärken und dem Verbesserungswürdigen mit
konstruktiver Kritik gegenübertreten.
4.5. LehrerInnen auch als BegleiterInnen und BeraterInnen
Musizieren und Tanzen lernen geschieht an einer Musikschule sowohl in formeller
Weise (z.B. im systematisch aufbauenden Instrumental-, Gesangs- und
Tanzunterricht) als auch im eher informellen Rahmen (z.B. Bandarbeit). Je nachdem
wie die SchülerInnen selbst ihre Lernprozesse steuern, verändert sich auch die Rolle
der LehrerInnen: Lehrende an der Musikschule sind nicht nur AusbildnerInnen,
sondern auch BegleiterInnen und BeraterInnen.
4.6. Selbstständigkeit und Selbstbefähigung
Ohne die Bedeutung des Nachahmungslernens in bestimmten Lebensaltern oder
Entwicklungsphasen in Frage zu stellen: Pädagogisches Ziel – auch in
meisterklassenähnlichen Beziehungen – ist letztlich die musikalische und
persönliche Selbstständigkeit und Eigenverantwortung der SchülerInnen, gründend
in deren Fähigkeit zur Kritik, zur Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion.
Anzustreben ist die Selbstbefähigung der SchülerInnen, d.h. die Bereitschaft und
das Vermögen, sich auch nach Ende des formellen Unterrichts weiter zu
entwickeln.
5.1. Wechselseitige Abhängigkeit von Unterrichtsvoraussetzungen, Zielen, Inhalten und Methoden
Der Musikschulunterricht ist ein systemisch zu betrachtendes Geschehen
wechselseitiger Abhängigkeiten: Das, was SchülerInnen mitbringen (Alter, soziokulturelle
Prägungen oder Lernvermögen) schafft für den konkreten Unterricht
ebenso Vorbedingungen wie der Auftrag der Institution Musikschule oder Art und
Charakter der zu vermittelnden Gegenstände und Tätigkeiten. Vor diesem
Hintergrund werden LehrerInnen aktiv, sie formulieren konkrete Ziele und wählen
Inhalte aus (im Sinne einer Vereinbarungskultur auch gemeinsam mit ihren
SchülerInnen), sie setzen Methoden ein, um die gesetzten Ziele zu erreichen und
gleichermaßen den Ansprüchen der Inhalte und den SchülerInnen hinsichtlich ihres
Alters und Vorverständnisses gerecht zu werden.
5.2. Fülle der Unterrichtsinhalte
In inhaltlicher Hinsicht geht es um die Breite aller musikalischen Phänomene, d.h.
um stilistische Vielfalt und ein solides musikalisches und tänzerisches
Hintergrundwissen, um die anspruchsvolle Spieltechnik der Instrumente oder eine
fundierte Gesangs- und Tanztechnik und um die Fülle von Musizier- und
Tanzformen und deren Bezug auf Gehör und Gefühl.
Bereits in den Fächern der Elementaren Musikpädagogik sollen sich die
SchülerInnen mit der Ausdrucks- und Stilvielfalt der Musik auseinandersetzen.
Elementare Musikpädagogik ist dabei nicht nur Grundlegung und Vorbereitung,
sondern ein pädagogischer Ansatz, der in allen Phasen der musikalischen
Entwicklung wesentlich ist: Er zielt auf das Elementar-Bewegende und
Fundamental-Berührende jeder Musik und jeden Musizierens. Hierin berührt sich
Elementare Musikpädagogik mit dem Prinzip des exemplarischen Lernens, nämlich
angesichts der Fülle der Inhalte durchgängig darauf zu achten, am Einzelfall immer
auch Allgemeines sichtbar zu machen.
So oft wie möglich sollten sich SchülerInnen mit der ausgewählten Literatur
wirklich identifizieren können: „Lieblingsstücke“ treiben die musikalische
Entwicklung voran.
Mit dem Überblick über die Welt des Klingenden und mit der Vermittlung von
musikhistorischer und -analytischer Information ist der Instrumental- und
Gesangsunterricht allerdings hin und wieder ebenso überfordert wie mit der
systematischen Ausbildung des Gehörs, der Darstellungsfähigkeit und des
Körperbewusstseins. Darum bieten die Musikschulen sowohl eine allgemeine
musikalische Grundausbildung als auch Ergänzungsfächer an (Gehörbildung und
Rhythmusschulung, Singen, Musikkunde, Körperarbeit, Korrepetition etc.).
Gleichwohl können sich Instrumental- und GesangslehrerInnen nicht erlauben, die
genannten Bereiche zu ignorieren und sich ausschließlich auf die anstehenden
Werke und deren spieltechnische oder sängerische Bewältigung zu konzentrieren:
Instrumental- und Gesangsunterricht funktioniert nur, wenn er auch allgemeiner
Musik- und Musizierunterricht ist und wenn er bewusst Bezug auf die Inhalte der
Grundausbildung und der Ergänzungsfächer nimmt – grundlegende Defizite im
musikalischen Hören und Verstehen oder in Bezug auf Sensibilität und
Expressivität setzen der sängerischen, geigerischen oder flötistischen Entwicklung
irgendwann Grenzen.
In Ergänzungsfächern im Bereich Tanz werden die Inhalte des Hauptfachunterrichts durch Ensembleprojekte sowie in Bezug auf Repertoirekunde und Tanzgeschichte vertieft. Darüber hinaus werden die tanzrelevanten Inhalte der Musikkunde auf spezifische Weise vermittelt.
5.4. Methodische Vielfalt
Instrumental-, Tanz- und Gesangsunterricht muss daher in methodischer Hinsicht
ausgesprochen vielfältig sein: Die LehrerInnen verfügen nicht nur über gute
analytische Fähigkeiten und methodische Kenntnisse, um Aplomb, Lagenwechsel,
Anschlag oder Tonbildung zu bewerten und zu entwickeln, sie nutzen darüber
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hinaus Methoden der Gehörbildung wie die Solmisation oder die Improvisation mit
verschiedenen Materialien, lassen ihre SchülerInnen singen, dirigieren und
pantomimisch agieren, um des musikalischen Ausdrucks, sowie tanzen, klatschen
und trommeln, um des rhythmisch-metrischen Pulses habhaft zu werden, sie
„spielen“ mit den Werken und verdeutlichen formale Zusammenhänge und musikund
kulturhistorische Entwicklungslinien, sie regen Arrangement und Komposition
an, sie nutzen technische Hilfsmittel wie Playback und Videoaufzeichung und
beziehen körperliche Selbsterfahrungs-, Entspannungs- und
Mobilisierungstechniken in den Unterricht mit ein.
5.5. Methodische Flexibilität und Variation der Unterrichtsformen
Methodische Flexibilität bezieht sich auch auf Unterrichtsformen – diese sind weder
grundsätzlich gut noch schlecht, sondern lediglich danach zu beurteilen, ob sie in
Bezug auf die definierten Intentionen und die anstehenden Inhalte zielführend
sind: Die Vorteile des Einzelunterrichts (etwa an einer speziellen
Bewegungsblockade oder an einer individuellen Werkinterpretation arbeiten zu
können) sind die Nachteile des Gruppenunterrichts, die Vorteile des
Gruppenunterrichts (etwa der sehr frühe Beginn mit dem Ensemblespiel oder der
Reiz gemeinsamen Rhythmus- und Gehörtrainings) sind die Nachteile des
Einzelunterrichts – daher ist die Kombination der Unterrichtsformen anzustreben.
Im Tanzbereich wiederum ist es zielführend, Gruppenunterricht nach Möglichkeit
mehrmals in der Woche anzubieten. Während etwa der Bläser- oder
Streicherklassenunterricht ein hohes Motivationspotenzial durch das frühe
gemeinsame Klangerleben hat, entfaltet der traditionelle Instrumentalunterricht
seinen Reiz durch die intensive Begegnung mit der Spielweise und dem Klang des
Einzelinstruments. Und wenn einmal die eigenständige Arbeit der SchülerInnen im
Nebenraum angebracht ist (etwa um ein konkretes Übeproblem selbständig zu
lösen), so ist es ein anderes Mal die Arbeit mit der gesamten Instrumentalklasse (etwa
um gemeinsam Übegrundsätze zu entwickeln). Sinnvolle Sozialformen des Lehrens
und Lernens können darüber hinaus sein: die Selbstinstruktion der SchülerInnen durch
elektronische Medien, Formen, in denen sich SchülerInnen gegenseitig unterrichten,
„Vor- und Nachspielzeiten“, die um die eigentliche Unterrichtstunde herumgelagert
sind und die SchülerInnen zum selbständigen Einspielen bzw. zur unmittelbaren
Nachbereitung der Stunde nutzen, der Partnerunterricht, das Team-Teaching, der
klassenübergreifende Unterricht.
Musikschulen sollten daher organisatorische Rahmenbedingungen bieten, die den
einzelnen LehrerInnen pädagogisch begründete Freiheiten in Bezug auf
Unterrichtsdauer, -häufigkeit und -form lassen und SchülerInnen Freiräume für
selbständiges Arbeiten in der Musikschule eröffnen.
6.1. Häusliches Musizieren und Üben
Auch wenn der Musikschulunterricht höchsten qualitativen Ansprüchen genügt:
ohne eine intensive häusliche Beschäftigung mit Musik und Instrument ist das
musikalische Lernen zum Scheitern verurteilt. Im Tanzbereich ist häusliches Üben
nur begrenzt möglich und daher vermehrtes Bewegungstraining an der Schule
notwendig. Diese Beschäftigung sollte auf zwei Ebenen erfolgen: Einerseits im
selbst vergessenen Musizieren und im Genuss am Spielen und Singen mit anderen
oder für andere, andererseits im zielgerichteten Üben, um musikalisch-expressive
Fähigkeiten und motorische Fertigkeiten weiter zu entwickeln. Freude und Lust
sind nicht dem Musizieren vorbehalten: Auch der eigentliche Lernprozess ist umso
effektiver, je deutlicher er von Neugier sowie Freude und Stolz über die kleinen
und großen Fortschritte begleitet wird.
6.2. Dem Text gerecht werden – den Text interpretieren: Üben als Anpassungs- und Forschungsleistung
Das Üben ist nicht nur – wie in anderen mehrstündig unterrichteten Schulgegenständen – die vertiefende Hausübung, sondern der eigentliche vokale und instrumentale Lernprozess. Üben bedeutet dabei zum einen durch systematische Arbeit den Anforderungen des Textes von Übungen und Stücken gerecht zu werden (das, was in den Noten steht, spielen können), zum andern in einer Art Forschungsprozess herauszufinden, auf welch verschiedene Weise ein Stück oder eine Übung klingen könnte (das klanglich realisieren, was nicht notierbar ist).
6.3. Intelligente Ursachenforschung und variable Problemlösungsstrategien beim Üben
Üben ist somit ein Prozess, in dem es sowohl auf Flexibilität und Bereitschaft zum
Experiment als auch auf Systematik und Zielstrebigkeit ankommt. Es führt nur zum
Erfolg, wenn die regelmäßig Übenden über prägnante musikalische
Zielvorstellungen und wirksame, lernpsychologisch begründete Übestrategien
verfügen, d.h. wenn sie bei Spielproblemen an die Stelle mechanischer
Wiederholung intelligente Ursachenforschung und variable Problemlösung setzen
(Analyse der Fehlerursache und Erkennen typischer Fehlerquellen, Üben in
Varianten, in verschiedenen Tempi, Rhythmen und Artikulationsarten, Üben in
Portionen und durch Musterbildung, Üben mit rotierender Aufmerksamkeit):
Sowohl Übeziele als auch Übestrategien müssen im Unterricht altersangepasst
vermittelt werden (zur Sicherung des klanglichen Ziels können auch Lernbehelfe
wie Playback-CDs etc. genutzt werden). Dabei kann man von den SchülerInnen
letztlich nur dann Geduld und Konzentration erwarten, wenn sie gelernt haben,
sich realistische Tages- und Wochenziele zu setzen.
6.4. Das „Zweite Ich“ im Übezimmer
Die Übenden sind in einer schwierigen Situation: Sie sollen beim Üben quasi wie
ein pädagogisches „Zweites Ich“ neben sich stehen („Sei Dein eigener Lehrer!“) und
das bedeutet: Sie sollen sich selbst zuhören und vergleichen, inwieweit der
augenblickliche Ist-Stand mit der musikalischen Soll-Vorstellung schon
übereinstimmt, sollen sich selbst sowohl kritisieren als auch ermutigen und zur
Geduld mahnen, sie sollen Lösungen für Spielprobleme finden.
Schritt für Schritt kann ein übendes Kind lernen, im Übezimmer sein eigener Lehrer
zu sein. Da aber diesem Anspruch zunächst entwicklungsbedingte Grenzen gesetzt
sind, werden die LehrerInnen insbesondere im Volksschulalter eng mit den Eltern
kooperieren müssen: Abstimmung über Übezeiten und Übemethoden ist ebenso
nötig wie die Formulierung von Erwartungen an ein inspirierendes häusliches
musikalisches Umfeld. Angesichts der Bedeutung von Arbeitsbündnissen zwischen
SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen können die dafür nötigen Gespräche nicht
nur „zwischen Tür und Angel“ geführt werden: Bei Elternabenden, in
Mitmachstunden oder Informationsbriefen kann verdeutlicht werden, was in Bezug
auf Musizieren und Üben sinnvoll und befriedigend ist.
Da im Tanzbereich das häusliche Üben nur im begrenzten Maße möglich ist, sollte das Augenmerk allgemein auf körperliche Sensibilisierung und Bewegungsförderung gelegt werden.
7.1. Kurzfristig und langfristig musikalisch erfolgreich sein
SchülerInnen der Musikschule sind – in kurzfristiger Sicht – dann erfolgreich,
wenn sie allein oder mit anderen ihren eigenen musikalischen Vorstellungen (bzw.
ihrer Sicht eines Werkes) einen angemessenen und tanz-, gesangs- und
spieltechnisch bewältigten Ausdruck verleihen und dabei ihr Musizieren und
Tanzen als befriedigend und lustvoll erleben.
Gegebenfalls kann es auch darauf ankommen, diesen Eindruck einem Publikum überzeugend zu vermitteln.
Darüber hinaus gibt es langfristige Wirkungen und Erfolge eines aktiven musikalischen Tuns (etwa Musik und Tanz intensiver erleben und differenzierter hören bzw. sehen oder Musik und Tanz als „Lebensmittel“ erfahren).
7.2. Wertigkeit und Messbarkeit von Erfolgen
Der Gewinn eines Wettbewerbs und das Bestehen einer Aufnahmeprüfung sind greifbare Leistungsnachweise – das Erreichen von Zielen wie die nachhaltige Bereicherung des eigenen Lebens durch Musik und Tanz, eine wachsende Bedeutung der Musik im Familienleben oder die Steigerung der Ausdrucksfähigkeit ist zwar hör- und sichtbar, allerdings kaum messbar. Ebenso entzieht sich das grundlegende Ziel der österreichischen Musikschulen, möglichst vielen Menschen lebenslange Freude an Musik zu vermitteln, einem rein quantitativen Messinstrumentarium.
7.3. Feststellung des Erreichens von Lehr- und Lernzielen
Die SchülerInnen der Bildungseinrichtung Musikschule haben einen Anspruch auf
die explizite Feststellung, ob die definierten Lehr- und Lernziele auch wirklich
erreicht wurden. Diesen Anspruch erhebt auch der öffentliche Träger der
Musikschule. Die Evaluation der Unterrichtsergebnisse erlaubt auch das
Nachjustieren der Ziele und die sich daraus ergebenden Veränderungen im
Ausbildungsgang. Formelle Lernerfolgsnachweise sollen motivierend wirken.
7.4. Der Klassenabend als Dokumentation von Lernergebnissen und als „künstlerischer Ernstfall“
Die Abhaltung von Klassenabenden sollte für LehrerInnen ebenso
selbstverständlich sein wie für SchülerInnen die Mitwirkung bei diesen. Diese
Auftritte sind einerseits die Dokumentation eines Leistungsstands quasi unter
Werkstattbedingungen, andererseits aber auch schon „künstlerische Ernstfälle“,
d.h. Zeichen des Bemühens, ein Publikum künstlerisch zu überzeugen. Um diesen
Aspekt zu stärken, sollten Klassenabende hin und wieder auch durch die
projektartige Orientierung an Themen oder durch klassenübergreifende
Zusammenarbeit zu „richtigen“ Konzerten werden. Dabei benötigen
MusikschullehrerInnen wegen des enormen organisatorischen Aufwands die
Rückendeckung durch die Institution und deren Leitung.
7.5. Positive Erfahrungen mit Auftritten
In welcher Form Klassenabende auch stattfinden: Anzustreben ist jedenfalls, dass
musizierende und tanzende Kinder, Jugendliche und Erwachsene von früh auf
positive Erfahrungen mit der Aufführungssituation machen.
MusikschullehrerInnen sollten sich daher mit den psychologischen Erkenntnissen
in Bezug auf Lampenfieber und Auftrittsangst auseinandergesetzt haben. Zu
bedenken ist auch, dass sich in der Auftrittsweise auch die verschiedenen Formen
spiegeln sollten, in denen SchülerInnen unterrichtet wurden – Klassenabende
müssen nicht nur aus Solo-Auftritten bestehen!
7.6. Öffentliches Auftreten, Jahreszeugnis, Übertrittsprüfungen
Insbesondere Musikschulen, die den individuellen Entwicklungsweg ihrer
SchülerInnen allgemeinen Stufen zuordnen, führen Übertrittsprüfungen durch.
Prüfungen verdichten die Dimension der Bewertung, die bei jedem öffentlichen
Auftreten ohnehin gegeben ist. Die SchülerInnen erhalten ein kommissionelles
Feedback für ihre Leistung, das über die Beurteilung durch ihre LehrerInnen im
Jahreszeugnis hinausgeht.
7.7. Allgemeine Grundsätze einer Bewertungskultur
Gleich in welcher Form Leistung bewertet wird:
- Ohne eine vorherige Definition der Erwartungen und Ziele (bzw. ohne eine
Vereinbarung zwischen LehrerInnen und SchülerInnen über das
Anstrebenswerte) ist eine redliche Leistungsbeurteilung kaum möglich.
- Wenn in pädagogischer Hinsicht Selbstständigkeit und Selbstbefähigung der
SchülerInnen angestrebt werden, dann sollte in Prüfungssituationen immer
auch die Selbstbeurteilung der SchülerInnen einbezogen werden.
- Es ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass in jeder Prüfungssituation nicht
nur die Lernleistung der SchülerInnen, sondern auch die Qualität der
LehrenInnen zur Debatte steht. Insofern ist die Prüfungssituation auch für die
LehrerInnen ein Anlass zur Reflexion.
- Konstruktive Formen der Bewertung setzen ein pädagogisches Klima voraus, in dem offen über Stärken und Schwächen der am pädagogischen Prozess Beteiligten gesprochen werden kann.
7.8. Pädagogische Ansprüche an Übertrittsprüfungen
Übertrittsprüfungen sind vor allem dann pädagogisch sinnvoll,
- wenn sie zum Anlass genommen werden, in den Lehrerkollegien intensiv über Prüfungsinhalte und Leistungsstandards zu diskutieren und diese klar zu deklarieren,
- wenn Prüfungsinhalte und -formen die Breite musikalischer Ziele und die Fülle jener Inhalte spiegeln, die den Musikschulunterricht ausmachen: Solo-Vortrag von Übungen und Stücken, Ensemblearbeit und Gruppenmusizieren, Prima-Vista-Spiel, Vortrag selbst komponierter oder choreographierter Stücke, Improvisation etc.,
- wenn allen Beteiligten bewusst ist, dass die Breite musikalischer Leistungsfähigkeit nur schwer in eine Note zu fassen ist,
- wenn anlässlich der punktuellen Prüfung der individuelle Entwicklungsweg der SchülerInnen betrachtet wird,
- wenn der Ausgang der Prüfung zum Anlass für ein konstruktives und zielführendes Gespräch zwischen SchülerInnen und LehrerInnen wird.
7.9. Sinnhaftigkeit von Wettbewerben
Während die Übertrittsprüfung das individuelle Leistungsvermögen der
SchülerInnen besonders berücksichtigt, akzentuieren musikalische und tänzerische
Wettbewerbe vor allem den Vergleich mit den Leistungen anderer, wobei
festzuhalten ist, dass das Motiv des Wettstreits dem Singen, Musizieren und
Tanzen gegenüber nicht wesensfremd ist („con-certare“...). Durch die Teilnahme an
Wettbewerben werden alte Maßstäbe relativiert und neue etabliert. Insbesondere
der Berufsnachwuchs muss sich – der realistischen Selbsteinschätzung wegen –
dieser Herausforderung stellen. Wettbewerbe sind dann pädagogisch vertretbar
und sinnvoll,
- wenn die Herausforderung als ermutigend und nicht als niederdrückend erlebt wird,
- wenn – sowohl für die SchülerInnen wie die LehrerInnen – nicht nur der 1. Preis zählt,
- wenn die unvermeidbare Konkurrenz nicht die Begegnung und wechselseitige Inspiration der TeilnehmerInnen ausschließt,
- wenn situationsabhängige Enttäuschungen nicht dazu führen, z.B. das Erlernen des Instruments grundsätzlich in Frage zu stellen,
- wenn allfällige Beratungsgespräche sensibel und aufbauend geführt werden,
- wenn SchülerInnen und LehrerInnen den Wettbewerbsweg anschließend gemeinsam reflektieren.
8.1. Die LehrerInnen als künstlerisches Vorbild
Spieltechnisches und tänzerisches Können, Einsichten in Stile oder Werke,
persönlicher Ton der Stimme oder auf dem Instrument, Ausdruckskraft und
Erfindungsreichtum, Freude am Musizieren und Tanzen und der musikalischen
Kommunikation: In all diesen Dimensionen des Musizierens sind die
MusikschullehrerInnen ihren SchülerInnen künstlerisches Vorbild – nicht nur im
Unterricht, sondern auch im eigenen künstlerischen Wirken.
8.2. Positives Verhältnis der LehrerInnen zu ihrem eigenen künstlerischen Wirken
Um im Sinne der in diesem Text formulierten Ansprüche glaubhaft tätig sein zu
können, sollten MusikschullehrerInnen in ihrem eigenen künstlerischen Studium
musikalische Offenheit, intelligentes Interpretieren bzw. kreatives Erfinden,
zielführendes Üben, den gesunden Umgang mit dem eigenen Körper als „erstem
Instrument“ oder angstfreies Auftreten möglichst am eigenen Leibe erfahren haben.
8.3. Pädagogische und didaktische Professionalisierung
Diese Erfahrungen mit Musik, Instrument und eigenem Körper sind zwar
notwendige, aber noch nicht hinreichende Voraussetzungen für den Lehrberuf. Ein
Instrumental-, Gesangs- oder TanzlehrerInnen, die einen professionellen
Ausbildungsweg gegangen sind, haben in ihrer beruflichen Praxis mehrheitlich
SchülerInnen vor sich, die andere Ziele verfolgen, sind mit verschiedensten
Altersgruppen konfrontiert und stoßen auch auf musikalische Bedürfnisse, die
ihnen von Haus aus vielleicht fremd sind.
Um allen SchülerInnen gerecht zu werden, steht bei MusikschullehrerInnen neben
dem künstlerischen in der Regel ein pädagogischer Ausbildungsweg: Ausgehend
von Selbstwahrnehmung und -reflexion wird Klarheit über pädagogische
Beziehungen geschaffen, das didaktische Unterrichtshandwerk in Theorie und
Lehrpraxis vermittelt, lern-, entwicklungs- und kommunikationspsychologisches
Wissen ebenso erworben wie eine umfassende Methodenkenntnis (um vierjährigen
Kindergartenkindern in der Elementaren Musikpädagogik ebenso gerecht werden
zu können wie sechsjährigen InstrumentalanfängerInnen, vierzehnjährigen Popfans
oder klassischen StudienaspirantInnen, erwachsenen WiederanfängerInnen oder
PensionistInnen, die sich mit der späten Aufnahme des Instrumentalunterrichts
einen lebenslangen Wunsch erfüllen), wird das zukünftige Berufsfeld erforscht und
über die Bildungsaufgabe der Musikschule nachgedacht. Diese Kenntnisse und
Fähigkeiten sind in der Fortbildung immer wieder aufzufrischen und zu erweitern.
8.4. Intensive Unterrichtsvorbereitung- und nachbereitung – anspruchsvolles Unterrichtsmanagement
Eine gute Didaktik ist eine flexible Didaktik. Die Breite der Ziele, die Fülle der
Inhalte und die Vielzahl der Methoden führt fast zwangsläufig zum variablen
Einsatz verschiedener Unterrichtsformen. Das bedeutet aber: Über die normale
Unterrichtsvorbereitung und -nachbereitung hinaus, die nötig ist, um jedem
Einzelfall gerecht zu werden (Analyse und Bewertung des augenblicklichen Stands
der SchülerInnen, Auswahl und Einrichtung der Literatur, methodische
Überlegungen), über die Notwendigkeit von kurz-, mittel- und langfristiger
Planung hinaus müssen MusikschullehrerInnen im pädagogisch begründeten
Umgang mit variablen Unterrichtsformen organisatorisches Geschick beweisen –
die Stundentafel ist gewissermaßen immer wieder neu zu erfinden.
Aufgrund der eminenten Bedeutung des häuslichen Musizierens und Übens für die
vokalen und instrumentalen Fortschritte bzw. der Notwendigkeit der Förderung
körperlicher Aktivität und eines positiven Körpergefühls stehen Tanz-,
Instrumental- und GesangslehrerInnen insbesondere bei jüngeren SchülerInnen im
Kontakt mit deren Eltern und nutzen nicht nur Gelegenheiten zu informellen
Gesprächen, sondern führen auch Elternmitmachstunden, Elternabende etc. durch.
8.6. Öffentliche Präsentation der Lernergebnisse – Organisation von Klassenabenden und Konzerten
Im Unterschied zum Pflichtschulbereich zielt der Unterricht an der Musikschule auf
die öffentliche Aufführung – am Ende des Lernens steht in der Regel die
publikumswirksame Präsentation der Lernergebnisse. Einen Gutteil ihrer
Arbeitszeit investieren MusikschullehrerInnen daher in die probenintensive
Vorbereitung und organisatorisch anspruchsvolle Durchführung von
Klassenabenden und Konzerten bzw. von Prüfungen und Wettbewerben.
8.7. Mitwirkung bei der Öffentlichkeitsarbeit der Musikschule
Ungeachtet ihres öffentlich-rechtlichen Charakters ist die Musikschule keine
Pflichtschule, sondern eine Einrichtung, die ihr Angebot und ihre Leistungen
immer wieder neu kommunizieren muss. Daher stellt auch die Beteiligung an der
Öffentlichkeitsarbeit der Musikschule einen wichtigen Teil der beruflichen
Verpflichtungen von MusikschullehrerInnen dar (Schnupperkurse, Tage der
offenen Tür, Musikschulfeste, Instrumentenvorstellung und Tanzworkshops in der
Pflichtschule, Mitwirkung bei Publikationen der Musikschule etc.).
8.8. Teamarbeit an der Musikschule
Da sich die Bildungsaufgabe der Musikschule nur im Zusammenspiel von
elementarer und instrumentenspezifischer Pädagogik, von Instrumental-, Gesangsund
Tanzunterricht und Ensemblefächern, von musikpraktischen und
musiktheoretischen Gegenständen, von Ausbildung und Aufführung verwirklichen
lässt, sind Instrumental-, Gesangs- und TanzlehrerInnen in vielfältiger Weise
gefordert. Oft werden sie den Unterricht auch in Form von Kammermusik,
Musikfreizeiten, Orchesterwochen oder anderen ergänzenden Kursen organisieren.
Von MusikschullehrerInnen ist daher zu erwarten, dass sie in besonderem Maße
TeamspielerInnen sind: Nur durch die Aktivitäten und die Zusammenarbeit ihrer
LehrerInnen kann die Dynamik einer lebendigen Musikschule entstehen und sie
zur Bildungsstätte und zum künstlerischen Treffpunkt werden.